Die Wittelsbachermessen

  

König Ludwig III. von Bayern besucht die Stiftskirche Neustadt, 1913

Unsere Kirche wurde als Memoria und Grablege des Pfalz-Bayerischen Herrscherhauses Wittelsbach errichtet.

Zwei Pfälzische Herrscher, nämlich Pfalzgraf Rudolf II. und sein Bruder Kurfürst Ruprecht I., mit ihren Ehefrauen Margarete von Sizilien-Aragon und Beatrix von Berg sind dort bestattet, ebenso die jung verstorbene Pfalzgräfin Blanka von England.

Das erhaltene Seelbuch der Kirche enthält ausdrückliche, ewige Messstiftungen für folgende Wittelsbacher Fürstlichkeiten:

Herzog Ludwig II. von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein († 2. 2. 1294),

Herzog Rudolf I. von Oberbayern und Pfalzgraf bei Rhein († 11.8.1319),

 Pfalzgraf Rudolf II. († 4.10.1353, in der Kirche begraben),

Kurfürstin Beatrix geb. von Sizilien-Aragon († 12.10.1365),

Kurfürstin Elisabeth, geb. von Namur († 29. 3. 1382; 1. Gemahlin Ruprecht I.),

Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz († 16.2.1390, in der Kirche begraben),

Kurfürstin Beatrix geb. von Berg († 16. 5. 1395; in der Kirche begraben),

Kurfürst Ruprecht II. von der Pfalz († 6.1.1398),

Pfalzgräfin Blanca, Prinzessin von England (†22.5. 1409, Gemahlin von Ludwig III.; in der Kirche begraben),

Rupprecht III., deutscher König und Kurfürst von der Pfalz (†18.5. 1411),

Königin und Kurfürstin Elisabeth geb. von Hohenzollern-Nürnberg (†26.7. 1411, Gemahlin von Rupprecht III.),

Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz († 12.12.1476), auch genannt der "Pfälzer Fritz", Stammvater und Begründer der Wittelsbacher Seitenlinie der Fürsten zu Löwenstein.

Später kam noch ein Jahrgedächtnis für Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz († 8.6.1716) hinzu .

Ebenso wurde auch die entfernte Verwandte der Pfälzer Wittelsbacher, Gräfin Elisabeth von Oettingen (1406), bei Ihnen im Stiftschor begraben und es existiert für sie ebenfalls eine Ewige Messe, nicht zuletzt wegen der reichen Reliquienstiftungen die sie der Neustadter Stiftskirche vermachte.   

 Pfalzbayerisches Wappen in der Stiftskirche Neustadt 

Unabhängig von den großen Verdiensten um den Katholizismus in Deutschland und um das Bistum Speyer, hat besonders die Stiftskirche Neustadt der Familie Wittelsbach viel zu verdanken:   

Die Wittelsbacher haben die Neustadter Stiftskirche erbauen und ihr vielfältige Wohltaten zukommen lassen. Durch die Fürsten erhielt sie auch ihre prächtige Ausmalung.

Der Wittelsbacher Kurfürst Johann Wilhelm setzte die Katholiken nach ihrer Enteignung im Zuge der Reformation, 1705 wieder in den Besitz des Chores der Neustadter Stiftskirche ein und sorgte damit für unser heutiges Gotteshaus.

Als die Katholiken Neustadts 1862 in ihre neue, von König Ludwig I. finanzierte Pfarrkirche St. Marien umzogen, verhinderte der Monarch durch sein Veto den Verkauf unseres Kirchenteils an die protestantische Gemeinde. Der Wittelsbacher bestimmte, daß in der alten Kirche, die eine  Begräbnis- und Gedenkstätte seiner Familie sei, auch weiterhin das Messopfer dargebracht werden müsse. Allein deshalb unterblieb der Verkauf.

Prinzregent Luitpold von Bayern besuchte im Juni 1894 den von seinem Vater als katholische Kirche geretteten Chor der Stiftskirche und bekundete großes Interesse für die dortigen Gräber. Laut dem Historiker Lukas Grünenwald fragte der Prinz die ihn begleitenden Herren diesbezüglich „mehr, als diese zu beantworten wussten.“ 1908-10 wurde das wiederentdeckte, gotische Chorgemälde des Jüngsten Gerichtes (mit 4 Figuren von Wittelsbacherfürsten)  restauriert, wobei Prinzregent Luitpold, wegen seinem besonderen Interesse für unser Gotteshaus, den Großteil der anfallenden Kosten bestritt.

 

Im April 1913 besuchte auch das letzte Bayerische Königspaar Ludwig III. und Marie Therese die Stiftskirche Neustadt. Bei Abschluss der Kirchenrenovierung 1917, mit Neuweihe des Hochaltares übermittelte Stadtpfarrer Hanß dem Monarchen folgende Telegramm-Grüsse nach München: „Ew. Königlichen Majestät bringen anläßlich der Altarweihe im wiederhergestellten Chor der Stiftskirche, der ehrwürdigen Ruhestätte Wittelsbacher Fürsten, alleruntertänigsten Huldigungsgruß dar, in dankbarer Erinnerung an Euerer Majestät hochseligen Vater, den Wiederhersteller der Kirche und Euerer Majestät hochseligen Großvater, den Erbauer der neuen Kirche; Bischof von Speyer und Stadtpfarrer Hanß, namens der kath. Pfarrgemeinde Neustadt.“ Der König antwortete: „Sehr erfreut über das treue Gedenken bei der Altarweihe im wiederhergestellten Chor der Stiftskirche zu Neustadt sage ich Ihnen lieber Herr Bischof und Herrn Stadtpfarrer Hanß, für den mir namens der Pfarrgemeinde Neustadt übermittelten Huldigungsgruß herzlichen Dank. Ludwig.“ 

Fürst Alois Konstantin, aus dem Wittelsbacher Familienzweig der Fürsten zu Löwenstein, hat unsere Gemeinde des alten Ritus bei der Wiederaufnahme der Wittelsbachermessen, im Oktober 2010, als Ehrengast mit seiner Anwesenheit ausgezeichnet.

In tiefem Respekt gegenüber dem Geschlecht Wittelsbach, welches in der bis 1946 Bayerischen Rheinpfalz das angestammte Herrscherhaus ist und aus Dankbarkeit für die vielfältigen Wohltaten die seine Angehörigen der Stiftskirche in Neustadt zukommen ließen, haben wir uns als diözesane Gemeinde des außerordentlichen römischen Ritus, bei der Zuteilung des katholischen Teiles der Stiftskirche entschlossen, die alten Wittelsbacher-Meßstiftungen wieder aufzunehmen. Alle Lebenden und Verstorbenen der Familie, insbesondere auch die des aus dem Haus Wittelsbach entsprossten Geschlechtes der Fürsten zu Löwenstein, sollen in diese Hl. Messen mit einbezogen sein. 

 Fürst und Fürstin zu Löwenstein als Ehrengäste bei unserer 1. Wittelsbachermesse, am 31.10.2010

Als wir zur Verwirklichung des Vorhabens schritten, fragte ein hoher Prälat im typischen Denkstil unserer Zeit: „Wie, Wittelsbachermessen? Ist denn da überhaupt noch Kapital vorhanden, damit man die feiern kann?“ 

Dazu sagen wir: Ja es ist noch Kapital da! Zwar kein Geld und keine Schätze, aber das Kapital der Treue und Anhänglichkeit an ein Fürstenhaus, dem wir sehr viel zu verdanken haben und das unabhängig von der Staatsform untrennbar mit uns verbunden bleibt. Außerdem das Kapital der göttlichen Gnade, die jenen zuteil wird, die sich mit ihrem Gebetseinsatz aktiv an der Solidargemeinschaft zwischen diesseitiger und jenseitiger Kirche beteiligen. Darüber hinaus entsprechen wir mit unserem Tun genau der vornehmen Dankgesinnung, die der Speyerer Bischof Dr. Ludwig Sebastian, im Hirtenbrief vom 16. November 1918, von den Gläubigen beim Sturz der Monarchie einforderte: 

„Gewiß wäre es vor Gott und der Welt nicht recht, wenn wir des vielen Guten vergessen würden, das die Huld unseres Herrscherhauses, das Pfälzischen Gauen entstammt, unserer Diözese zugewendet hat. Immer wollen wir in Treue dankbar bleiben allen jenen, die uns Gutes erwiesen haben. Treue und Dankbarkeit ehrt vor den Menschen und ist ein sicheres Unterpfand zeitlichen Wohlergehens und himmlischer Segnungen.“   

  

Segnung des Grabes von Kurfürst Ruprecht I. und seiner Gattin Beatrix von Berg, bei unserer ersten Wittelsbachermesse, 2010

Stufengebet, Wittelsbachermesse, Oktober 2011

Durch die Meßstiftung für Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz, den Begründer des Fürstenhauses Löwenstein, stehen wir überdies auch in ganz besonderer Verbindung mit dem Seligen Kaiser Karl von Österreich und seiner Gattin Kaiserin Zita, deren Seligsprechungsprozess ebenfalls eingeleitet ist.

Die Urgroßtante unseres letztjährigen Ehrengastes Fürst Alois Konstantin, Prinzessin Adelheid von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg (1831-1909), war die Gattin des exilierten Königs Michael I. von Portugal und wurde als Witwe Benediktinerin. Sie ist die Großmutter der letzten österreichischen Kaiserin Zita (1892-1982) und gleichzeitig - über eine andere Familienlinie - die Urgroßmutter des bereits selig gesprochenen Kaisers Karl von Österreich (1887-1922), Zitas Gatte. 

 

Kaiser Karl und Kaiserin Zita haben deshalb als direkte Nachkommen der Pfälzer Kurfürsten eine spezielle Bedeutung für uns und unsere Neustadter Kirche und wir wollen sie vertrauensvoll als unsere besonderen Fürsprecher anrufen. 

  

 

 ORATE PRO NOBIS

An zwei Sonntagen im Jahr lassen wir daher in Form einer feierlichen "Wittelsbachermesse" mit Gräbersegnung, die alten, ewigen Stiftmessen aufleben, welche das Pfalz-Bayerische Herrscherhaus in unserer Kirche einmal dotiert hat. Laut Kirchenrecht können solch alte Meßstiftungen zu zwei Terminen im Jahr zusammengefasst werden.

Die Geschlechter Wittelsbach (Herzog Albrecht V., links) und Habsburg (seine Gemahlin Anna von Österreich, rechts) unter dem Schutz der Muttergottes 

1. Termin ist der Sonntag nach dem Hochfest "Patrona Bavariae", das laut altem Liturgiekalender in Bayern und der Pfalz am 1. Samstag im Mai gefeiert wird. Messtermin ist somit stets der Sonntag nach dem 1. Maisamstag 

2. Termin ist immer der letzte Sonntag im Oktober, gemäß unserem alten Liturgiekalender der Christkönigssonntag.

 

PER ME REGES REGNANT